Montag, 31. März 2008

Viele Geschichten mit mehreren Titeln


was ist das eigentlich für eine blöde Übeschrift?
ich bin jetzt schon wieder etwas ruhiger, während ich diese Zeilen schreibe... hätte ich diesen Artikel am Sonntagabend noch geschrieben, wäre er ein anderer geworden und ich hatte schon massenhaft Ideen, wie ich ihn nennen wollte.
Heute versuche ich, der Sache wenigstens etwas witziges abzugewinnen, was ich an jenem Sonntagabend nicht konnte.
Ich kann mich für keinen Titel entscheiden, das möge der Leser selber tun.

Ein Tag zu Vergessen
war eine Variante in der Verlosung.
Ich hatte, das muß ich vorwegnehmen, meine Arbeitsschicht getauscht, um das Osnabrück-Spiel sehen zu können und kam so zu dem Glück, samstags bis 24 Uhr arbeiten zu dürfen...gar nicht so klug; heißt um eins zu hause und um halb sechs wieder hoch, denn Paderborn stand auf dem Programm.
Aua...viereinhalb Stunden Schlaf; „nein, dreieinhalb...du hast die Zeitumstellung vergessen“, belehrte mich eine Kollegin.
Okay, dreieinhalb – frisch und munter sieht anders aus...dich kenn ich nicht, dich rasier ich nicht...Glückstrikot an, Auswärtshose (wasserabweisend) und Auswärtsschuhe (bequem und dürfen dreckig werden...bleiben) – Krach! das war die Arschnaht meiner Auswärtshose; na, das fängt ja gut an.
Weiteres Ungemach verschonte mich...Glücksfrühstück am Bahnhof, guten Sitzplatz im Zug – okay, ich hatte das Ferienende vergessen; ab Frankfurt-Flughafen fehlte nur noch das Öl zu Sardinien, aber gut, ich steh ja auf menschliche Nähe und soziale Kontakte, sonst würde ich mich schließlich nicht in Gästefansstehplatzblocks herumtreiben.
Kassel-Wilhelmshöhe...steht ganz weit oben auf der Liste ungeliebter Bahnhöfe; ich hatte die Länge der Fahrt falsch kalkuliert, mußte also meine Biervorräte aufstocken – Hinweis für alle: NICHT in Kassel Bier kaufen, der Monopolkiosk nimmt DREI ois für eine Dose.
Kurioses am Rande...die haben natürlich auch in Kassel jene Coaching Zonen, denen man rauchen darf...allerdings stehen die Aschenbecher teilweise außerhalb der gelben Gemarkung, was mich in ziemliche Konflikte brachte.
Was soll ich nun tun
Es tauchten die ersten braun weißen Accessoires auf und ab da hatte ich dann auch nette Reisebegleitung.

Hochmut kommt vor dem Fall
Wir beide waren noch nie in Paderborn gewesen, unser Wissen beschränkte sich darauf, daß das Bier schlecht ist, die Gegend tief katholisch und die Mannschaft eine Trümmertruppe, deren Busfahrer sein Navi schon mal mit Ingolstadt programmieren sollte.
War ich abgereist mit dem Gedanken (blooß nicht verlieren), war ich bis Kassel zu dem Schluß gekommen, awas, sicherer Punkt und als wir in Paderborn ankamen, hatten wir uns auf die letztlich offene Frage geeinigt, wie hoch wir denn heute gewinnen werden.
Das war wohl auch der Grundtenor, als wir beim Stadion ankamen mit einem auf der Hinfahrt vorbildlichen Shuttle-Service.
Nur einige von unseren Assis verwechselten das ganze wohl mit einem Exploited-Konzert aus den frühen 80ern...man muß NICHT immer Bullenschweine brüllen, sobald man einen Polizisten sieht, dann kommen leider solche Sachen dabei raus, wie sie zum Schluß der Geschichte passierten.
Das Wetter war milde, das Stadion eine liebenswerte Bruchbude im Wald...ich mag sowas, ist mir lieber also solche SAGA-Pojektbauten wie in MG.
Die Fischbrötchen waren super-lecker, die Stimmung fröhlich – alle hatten große Taschen dabei, wo locker drei Punkte und viele Tore rein paßten – im Block war gute Sicht, ohne erhöhten Kuschel- und Schiebefaktor.
So hab ich’s ja gerne.

„Sie singen...warum singen sie?“
So hatte ich den Artikel nach dem Spiel nennen wollen, als ich wieder zu Hause war – das Ganze ist nicht auf die Fans gemünzt; jaja, wir singen ja immer.
Das Spiel begann – als die Mannschaftsaufstellungen verlesen wurden, hatte einer bei mir den lustigen Einfall, statt Lukas Kruse PODOLSKI zu rufen...fortan hießen alle Paderborner Spieler PODOLSKI mit Nachnamen (bis auf Erwin Koen, der ist ja Holländer, der heißt Erwin VAN Podolski).
Ein harmloser Sommerkick; wir waren besser, weil die anderen schlechter waren, was aber nicht unbedingt zu Torchancen führte...Kuru hat noch immer niemand die Abseitsregel erklärt, aber gut; senkrecht hochspringen kann er im Gegensatz zu Sako und macht das erlösende 1:0.
Ausgelassenheit in der Kurve, die knapp eine Minute lang anhielt, dann folgte ein kollektives lautes KLONK – das ist das Geräusch, wenn 2.000 Kinnladen auf Betonterrassen aufschlagen; Paderborn hatte ausgeglichen.
Nein, ansich hatte Paderborn nicht ausgeglichen – sogar A. PODOLSKI  fragte sich sekundenlang, ob er denn das Geschenk zur Kommunion annehmen dürfte.
Aus 2000 Gesichtern wich die sommerliche Farbe und plötzlich auch die Zuversicht.
Kennt einer den alten Bibelschinken Quo Vadis mit Peter Ustinov als Nero...da werden die Christen in die Arena getrieben, Löwen und Bären fallen über sie her und irgendwann
hören sie auf, wegzulaufen, ergeben sich dem Schicksal und lassen sich fressen, aber nicht ohne laut das „lobet den Herren anzustimmen“.
Daran hat Nero, selbst ja Rock-Star (oh lodernd Feuer), gar keinen Spaß, weil die Christen sangen, wo sie nicht singen sollten....wir wollen euch kämpfen sehen, statt dessen singt ihr; St. Pauli stellte quasi ab dem Zeitpunkt das Fußballspielen ein...auch nach der Pause fehlte das, was unendliche Euros ins Phrasenschwein kostet...Feuer, Leidenschaft, Wille, Kampfgeist – als hätte sich die Mannschaft seit jenem kuriosen Gegentor in ein Schicksal ergeben, mit mir den Gedanken geteilt „Scheiße, das wird hier heute nichts mehr“ als hätten sie von dem Nahtriß meiner Auswärtshose erfahren.
Total eingebrochen, nennt sowas der Fernsehkommentator und spätestens nach dem zweiten Tor von A. PODOLSKI wich auch die Zuversicht aus der Kurve.
Natürlich, wir haben angefeuert, aber wie lange schreist du rennen, wenn die unten auf dem Platz nicht mal laufen...irgendwann bleibt nur singen – und warten, bis die Löwen dich fressen.

“Macht sowas mal gegen Dresden“
Der letzte Teil der Geschichte
Ich war nach 85 Minuten abgehauen, in der Option auf einen früheren Zug; nicht mal wütend, sondern einfach nur traurig und ein wenig müde.
Gut, ich habe schon viele Spiele gesehen, bei den wir verloren habe, aber das WIE machte mich diesmal fertig.
Der Rückweg zu den Shuttles war geprägt von Schweigen und gesenkten Köpfen, wie er vor dem Spiel freudig und euphorisch gewesen war...ich schicke das nur mal vorweg, um das mir vollkommen unerklärliche Verhalten der Polizei zu beschreiben.
Auf der Hinfahrt war es schon so, daß die Polizei vor den Shuttles alle Fans mit offenen Flaschen / Dosen anwiesen: erst austrinken, dann rein in den Bus.
Im Bus öffneten dann meine Reisebegleitung und ich unsere letzte Pilsdose – sofort intervenierte eine Walküre „nicht trinken...wir haben doch gesagt, keine offenen Flaschen oder Dosen“ – Frage, äh warum – „sie wissen doch, in Bussen herrscht Verbot von Getränken und Speisen...nachher verschütten sie das, dann sind wir dreckig, der Bus ist dreckig und das wollen wir nicht,.“
Sauberkeit und Ordnung...was soll man von einer Stadt erwarten, dessen Stadion den Namen eines rassistischen, nationalistischen und frauenfeindlichen Dichters trägt.
Auf dem Rückweg dann, nach einem netten Umweg durch das schöne Paderborner Umland, wieder am Bahnhof angekommen – also gut, den Arsch verhauen bekommen, ein paar Pils für den Rückweg und ab nach Hause, Wunden lecken.
Auf dem Bahnhof hatte der Monopolkiosk geschlossen (meine Reisebegleitung hatte es noch geschafft, im Zigarettenshop die letzten Biervorräte zu plündern), ansonsten gab es nur Softdrinks und Wasser...massive Polizeieinheiten schützten die Toiletten und den Mc Donalds und vor allen die Türen – hatte ich doch vor dem Bahnhof eine Tanke ausgemacht, an der man noch andere Dinge als Zuckergebäck und Fanta hätte einkaufen können.
Also, dahin...vor dem Ausgang prallte ich auf einen grünen Kühlschrank in voller Montur (Helm, Knüppel und Knarre): „Wo wollen sie hin?!“ – naja, in die Stadt, Bier kaufen.
“das dürfen sie nicht – sie kommen hier nicht raus“ – äh, schulligung, ich muß noch eine knappe Stunde auf meinen Zug warten, da wollte ich noch was essen und was trinken.
“Dann essen und warten sie hier, auf dem Bahnhof“, sagte Polizist PODOLSKI, der Paderbornator und drängte mich zurück mit seiner breiten panzerbewesteten Brust.
Okay, ich hatte ja schon Witze über Koblenz gemacht, aber diese Geschichte war unter aller nackten Kanonen...ich weiß nicht,  wie viele St. Pauli Fans auf diesem Bahnhof eingeschlossen wurden; mein Reisebegleiter meinte nur „ey, macht das mal, wenn Dresden kommt, dann könnt ihr euch gleich einen Architekten bestellen, der euch einen neuen Bahnhof baut“, denn 2000 von denen werden sich nicht so still und schweigend in diese Situation fügen, wie unsere das getan hatten.
Lieber Polizeieinsatzchef Paderborn...Deeskalation sieht anders aus; nichts von Gewalt, nicht mal Lärm; ich hätte mich sogar mit der Dorfjugendlichkeit fraternisiert, wenn man mich gelassen hätte; schließlich hatten wir scheiße gespielt und sowas von verdient verloren und ich hätte mich mit Häme und Spott überschütten lassen.
Die Gastwirte Paderborns hätten sich über den Mehrumsatz gefreut und gebrannt hätten in der Stadt sicher nur die Kerzen in den Kommunionskichen.

Wut, Trauer und Schmerz

Von der Rückfahrt will ich wenig schreiben...wir mußten den Kasseler Wucherer wieder bemühen; hatten bis Frankfurt nur Stehplätze und redeten uns die Köpfe heiß über das, was wir an diesem Nachmittag erlebt hatten.
Wenigstens war in den Zügen nur fußballunkundiges Volk, so gab es das nicht, was ich nach Niederlagen am meisten hasse: MITLEID, was wir für ein toller Verein sind, der so tolle Fans hat – ich war an jenem Abend alles andere als toll, sondern einfach nur ein müdes Arschloch, angefüllt mit Wut, Trauer und Schmerz, das nach Hause wollte.
dort angekommen, habe ich mich dann hingesetzt und mit diesem Artikel angefangen.
Irgendwann hab ich dann das Geschriebene durchgelesen, alles gelöscht und bin schlafen gegangen – in der Erkenntnis, daß Schlaf und Distanz vielleicht die besseren Ratgeber sein mögen...wären wir gegen Freiburg bereits erschienen, hätte ich ihn zu Ende in meinen PC geprügelt – gegen Aachen ist das Schlimmste hoffentlich schon vorbei, auf daß wir den Klassenerhalt feiern mögen und von solchen Nachmittagen hoffentlich nicht mehr viele erleben mögen.

Auferstanden aus Ruinen


Auferstanden aus Ruinen...oder auch: wie wir wurden, was wir waren

1988, 29.Mai; es sind etwa 800 Hamburger im Stadion des SSV Ulm (bei insgesamt 2.500 Zuschauern) – in der 29 Minute tankt sich André Golke auf der linken Seite durch, Dirk Zander war von der Mittellinie aus losgestartet, bekam den Ball in etwa 25 Metern vor dem Tor zugepaßt.
Zander sagte später, er hätte nicht mehr weiterlaufen können, deswegen hätte er einfach mit seinem starken linken Fuß abgezogen...dann blieb er stehen und schaute auf den Ulmer Keeper Richter; der hatte keine Chance und so senkte sich dieser sagenumwobene Schuß ins Ulmer Tor und bescherte dem FC St. Pauli seinen zweiten Aufstieg in die 1. Bundesliga – damit steht das Happy End am Anfang der Geschichte.
Knappe zehn Jahre zuvor sah es etwas anders aus; ein von Dilettanten geplanter erster Versuch im Oberhaus, der zuerst mit einem sportlichen und ein Jahr später auch mit einem finanziellen Desaster endete; Lizenzentzug und Zwangsabstieg, trotz guter Perspektive in der 2. Liga fand man sich plötzlich in der Amateur-Oberliga wieder.
Und das mit einer Mannschaft, die fast nur aus A-Jugendlichen und Amateuren bestand.
Nachdem das alte Präsidium ausgetauscht worden war, waren es die neuen Leute am Ruder, vor allem Wolfgang Kreikenbohm, die den Verein überhaupt am Leben erhielten.
Delmenhorst statt Dortmund sollte uns fünf Jahre lang erhalten bleiben; 80/81 wurde uns der mögliche Aufstieg wegen der Zusammenfassung der zwei zweiten Ligen in eine versagt, 82/83 versagte die Mannschaft in der Aufstiegsrunde.
Damals verloren sich zu Drittligazeiten im Schnitt etwa 2.000 Zuschauer am Millerntor und zudem hatte der FC St. Pauli damals ein Gewaltproblem – eine Gruppe von Fans bezog immer hinter dem gegnerischen Tor Stellung; Bierflaschenwürfe waren keine Seltenheit...damals gab es noch keine Fangzäune und keine Plastikbecher.
Was es damals gab – einen Retter...den ersten: hatten Werner Prokopp und Kuno Böge überhaupt eine Mannschaft aufstellen können, gab es nun eine Fördergruppe, die ein wenig Geld für neue Spieler locker machte und seit dem 21.03.82 auch einen neuen Trainer, den ehemaligen dritten Torwart Michael Lorkowski.
Ältere Spieler gingen, dafür kamen neue Leute...Thomforde, Studer, Golke, Oldenburg zu solchen wie Bargfrede, Dahms, Gronau oder Philipkowski, die schon länger da waren und 1984 war es denn so weit:  der Verein stieg wieder in die 2. Bundesliga auf.
Ein Abenteuer, aber diesmal wenigstens ein solide finanziertes; der Verein ging keine finanziellen Risken ein...drei Spieler aus dem damaligen Kader hatten überhaupt schon mal zweite Liga gespielt und so verwundert es vielleicht auch nicht, daß die Mannschaft sofort wieder abstieg, allerdings hatte sich der Zuschauerschnitt schon quasi verdoppelt.
In diesem Jahr (woran erinnert uns das) machte Lorkowski auch seinen DFB-Trainerschein, zusammen mit Willi Reimann, damals Trainer bei Altona 93 und Helmut Schulte, ehemals Amateur-Fußballer bei Viktoria Köln und diplomierter Sportlehrer.
Lorkowski holte Schulte ans Millerntor, ansich als Verteidiger, doch weil das Präsidium vergaß, eine Spielgenehmigung zu beantragen, kam Schulte auf eine ABM-Stelle als Jugend Koordinator und Co-Trainer für damals 4.000 DM brutto.
Die Saison 85/86 wurde zwar kein Spaziergang, aber ein Durchmarsch; Spieler wie Nogly und der zurückgekehrte Dietmar Demuth stabilisierten die Abwehr und vorne machte Sonny Wenzel seine 23 Kisten; in der danach folgenden Aufstiegsrunde marschierte St. Pauli quasi souverän durch und stand schon am vorletzten Spieltag als Aufsteiger fest, ein souveränes 3:0 gegen Rot Weiß Essen, bei dem schon 9.100 Zuschauer anwesend waren.
Das Publikum war zwar im Lauf der Zeit gewachsen, hatte sich allerdings noch nicht so sehr verändert im Unterschied zu anderen Vereinen...das sollte sich ändern.
Am 08.06.1986 spielte der FC gegen den ASC Schöppingen in der Aufstiegsrunde vor 5.200 Zuschauern, draußen fand zu gleicher Zeit der berühmt-berüchtigte „Hamburger Kessel“ statt, bei dem die Polizei 860 Atomkraftgegner auf dem Heiligengeistfeld, einen Bierflaschenwurf vom Stadion entfernt umzingelte, ihnen die Zunahme von Flüssigkeiten und Nahrung und den Gang zur Toilette bis etwa um Mitternacht verwehrte...grundsätzlich wären alle Demonstranten Sympathisanten der RAF gewesen, so die Rechtfertigung der Einsatzleitung der Polizei – mit dem gleichen Argument wurden auch immer wieder Angriffe auf die besetzten Häuser an der Hafenstraße inszeniert und legitimiert.
Was den Verein anbelangte, so gab es immer Durchmischungen mit dem großen Rivalen dem HSV, man kam von da, man ging dorthin und man saß zusammen...die Rivalität war rein sportlicher Natur; das sollte sich nun so langsam ändern, das Sportliche verlegte sich auf eine eher ideologische Basis – bestes Beispiel war das letzte Saisonspiel 86, bei dem Lorkowski sich Richtung Holstein Kiel verabschiedete. Sein Nachfolger als Trainer stand mit Willi Reimann bereits fest, aus der Sporthochschul-Connection; Reimann wurde allerdings von den Fans mit „Willi, du Arschloch!!!“ Rufen begrüßt, denn schließlich war er ein ehemaliger HSV-er.  
Zum aktuellen Kader kamen damals vor allem die Herren Trulsen und Zander hinzu und dieses Mal gelang dem Verein quasi schon fast die Sensation – dümpelte man in der ersten Saisonhälfte noch im Mittelfeld herum, so kam man am 26. Spieltag, nach einem 2:1 bei den Stuttgarter Kickers erstmals auf einen Aufstiegsplatz und gab den auch nicht mehr her.
Das Manko, man war nur Dritter und damals gab es noch die Relegation; sprich man mußte gegen den Drittletzten der Bundesliga um den Platz an der Sonne spielen.
Doch damals kamen schon statt der kalkulierten 3.500 Zuschauer im Schnitt mehr als 8.000 ans Millerntor; 18.500 wollten das Rückspiel im Aufstiegskampf sehen, obwohl der FC das Hinspiel in Homburg 1:3 verloren hatte trotz des Führungstors von Fred Klaus.
In jenem Rückspiel gelang zwar ein Sieg, aber leider nur ein 2:1, ein Tor zu wenig, das ein Jahr weiter zweite Liga bedeutete.
Der Goalgetter Wenzel schaffte zwar nur 7 Tore in der regulären Saison; mit 15 Treffern sprang damals allerdings ein Altbekannter in die Bresche; der Gerber-Franz bei seinem dritten Besuch am Millerntor, nachverpflichtet für 30.000 DM von Hannover 96 (im Folge- dem Aufstiegsjahr, sollte Wenzel 16 Tore schaffen; Gerber schied wegen einer Verletzung schon frühzeitig aus und wurde Sportinvalide)
Nun kommt jene Saison, die das Glücksgefühl bedeutete, die uns hinführt zum Ende und zum Anfang der Geschichte.

Der Kader 87/88
Tor:  Ippig, Thomforde
Abwehr:  Demuth, Duve, Kock, Olck, Studer, Trulsen, Ulbricht, Zander
Mittelfeld:  Bargfrede, Beermann, Gronau, Jensen, Timm
Angriff:  Dahms, Gerber, Golke, Klaus, Koy, Pfennig, Wenzel
Trainer:  Willi Reimann bis 09.11.1987  -  Helmut Schulte ab 11.11.1987

Der FC St. Pauli entwuchs der 2. Liga, stand nur am 2. Spieltag und zu einer Schwächephase zum Ende der Hinrunde nicht auf einem Aufstiegsplatz.
In jene Phase fiel auch damals einer der kuriosesten Trainerwechsel der Fußballgeschichte.
Nicht, daß Reimann seinen Job etwa schlecht gemacht hätte – er machte ihn vielleicht sogar etwas zu gut und weckte so die Begehrlichkeiten des großen Nachbarn aus Bahrenfeld, der damals in einer schweren Krise steckte.
Deren Trainer Josip Skoblar hatte die Truppe heruntergewirtschaftet, so suchte Manager Magath nach einer Alternative und rief seinen alten Kumpel aus Landesmeistercupsieger Zeiten an...Reimann, der bei den Fans immer schon im Verdacht gestanden hatte, eine verkappte Rothose zu sein, bat um die Freigabe für einen Wechsel.
Und der FC St. Pauli, klamm wie immer, stimmte zu, denn der HSV bot – ein Novum im deutschen Profifußball – eine Ablöse: 600.000 DM.
Das Ganze vollzog sich binnen zwei Tagen; so schnell war kein neuer Trainer zu bekommen
und so fragte der Präsident Dr. Paulick den Co-Trainer, ob er sich zutraue, das Amt zu übernehmen...Helmut Schulte reagierte mit einem netten Vergleich des Trainerassistenten mit dem des amerikanischen Vizepräsidenten „auch der muß bereit sein, binnen einen Tages das mächtigste Land der Welt zu regieren“ und wurde so der neue Chef.
“Eine Übergangslösung bis zur Winterpause; dann verpflichten wir einen interessanten Mann, der sich uns aufdrängt.“ kommentierte Manager Schorsch Volkert.
Heißeste Kandidaten waren damals Franz Brungs, Horst Heese und Horst Hrubesch ...bekanntermaßen auch eine Rothose, woran man ermessen kann, daß zu damaliger Zeit zwischen den zwei großen Hamburger Vereinen zwar Rivalität, aber keinesfalls Feindschaft herrschte (Schorsch Volkert, war schließlich auch eine Ex-Rothose).
Brungs war bei Hessen Kassel unabkömmlich, die beiden anderen Kandidaten zauderten und so wurde aus der Übergangs- eine Dauerlösung.
Schulte siegte gleich in seinem ersten Spiel als Chef mit 6:1 in Oberhausen, beendete damit die Mini-Krise und führte das Team zu jenem Tag nach Ulm...schon ein Punkt hätte zumindest das sichere Erreichen der Relegation bedeutet nach dem Sieg im letzten Heimspiel gegen Oberhausen (vor „nur“ 14.200 Zuschauern).
Als Schiri Kröger nach 90 Minuten abpfiff, waren es zwei und Platz Zwei in der Tabelle.
Die mitgereisten Fans erklimmen die Zäune, stürmen das Spielfeld.
Als die Mannschaft dem Ulmer Trubel endlich entkommen kann und dann in Hamburg landet, geht es gerade so weiter; über 1.000 Fans erwarten die Mannschaft am Flughafen und im Autokorso geht es zur Reeperbahn und in die Deichstraße zum Saitensprung, wo die Aufstiegsfeier im Mannschaftskreis stattfinden soll...nur daß trotz Ordnungsdienst auch zahlreiche Fans mit Einzug in das Lokal halten.
Noch eine relativ bescheidene Veranstaltung im Vergleich zu dem, was bei späteren Aufstiegsfeiern auf der Reeperbahn abgehen sollte, aber vielleicht der wichtigste Schritt und Einschnitt in der Vereinsgeschichte (gut...ich könnte auch noch andere nennen, was das rein sportliche anbelangt).
Der Verein hatte sich gewandelt, weil auch der Stadtteil sich am wandeln war und auch das Publikum; in das Schmuddelviertel für See- und arme Leute zogen immer mehr junge Leute ein und aus dem Amüsier- wurde langsam in den 80er Jahren ein Kulturviertel und mit beiden Entwicklungen zog auch die Politik wieder in das Arbeiterviertel.
Eine damalige Studie sagte aus; daß der Spaß und Unterhaltungscharakter einer Sportveranstaltung den Zuschauern wichtiger sei als das Erleben von Sportstars...wichtig seien 1. Spaß haben – 2. Spannung erleben – 3.  Geselligkeit finden – 4. begeistert werden... Stars hatte de FC im landläufigen Sinne nun wirklich keine
Und wer sich für Fußball als Unterhaltung interessierte, der war in der barocken Atmosphäre des Millerntors jedenfalls besser aufgehoben als in der seelenlosen Betonschüssel des HSV in Bahrenfeld mit seinen vielen Fans, die Spaß und Spannung damals eher als Erlebnis in der „dritten Halbzeit“ interpretierten.
Die „neuen Bewohner“ des Viertels brachten das Politische mit ins Stadion, getragen aus dem Umfeld des Hamburger Kessels, getragen auch aus der Hafenstraße; auf jeden Fall ein eher linksorientiertes Publikum im Unterschied zu dem, was andere Vereine zu der Zeit zu bieten hatten, deren Fans bestenfalls unpolitisch waren.
Der FC St. Pauli, der Stadtteilverein, der immer zu den Großen hatte dazugehören wollen, war nun
















Gegner
Heim
Torschützen
Ausw.
Torschützen
Union Solingen
1:0
Olck
3:0
Dahms, Wenzel, Dieckmann (ET)
VfL Osnabrück
1:1
Wenzel
0:1
-/-
1. FC Saarbrücken
2:0
Wenzel (2x)
2:0
Golke, Zander
SpVgg Bayreuth
3:1
Wenzel, Klaus, Zander
3:1
Wenzel, Zander, Klaus
Alemannia Aachen
1:1
Zander
0:1
-/-
Kickers Offenbach
3:0
Zander, Wenzel, Gronau
1:3
Wenzel
Fortuna Köln
5:1
Frenken (ET), Golke, Wenzel, Zander, Golke
0:2
-/-
Rot Weiß Essen
4:2
Zander, Wenzel, Zander, Trulsen
2:2
Zander, Dahms
Fortuna Düsseldorf
2:2
Duve, Zander
0:0
-/-
BLV 08 Remscheid
0:0
-/-
1:3
Gronau
SV Meppen
2:0
Wenzel, Zander
1:1
Bargfrede
Arminia Bielefeld
2:0
Zander (2x)
1:0
Golke
Wattenscheid 09
3:1
Zander, Bargfrede, Zander
0:1
-/-
Darmstadt 98
3:2
Bargfrede (2x), Wenzel
0:0
-/-
Stuttgarter Kickers
0:2
-/-
1:2
Wenzel
SC Freiburg
1:1
Dahms
1:1
Golke
Blau-Weiß 90 Berlin
1:0
Gronau
2:2
Golke (2x)
Rot Weiß Oberhausen
2:0
Zander, Bargfrede
1:6
Klaus, Golke, Klaus, Wenzel, Gronau, Klaus
SSV Ulm
4:3
Duve, Wenzel, Wenzel, Golke
1:0
Zander

Sonntag, 23. März 2008

Die gute Seite




Schade eigentlich...man hätte sich in diesem Heft so vielen schönen Dingen widmen können: dem Klassenerhalt, den wir erreichten, indem wir ohne Sturm stürmten und der uns nun einen hoffnungsfrohen Blick in die Zukunft wagen ließe.  Zwanzig Jahre ist’s erst her, da stiegen wir zum zweiten Mal in die Bundesliga auf, auch mit einer Mannschaft, die sich quasi aus dem Amateurlager hochgedient hatte.
Oder man hätte viel über das sicher anstehende schwarz-rot-goldene Sommermärchen schreiben können, wenn wir uns endlich für die Schmach von Cordoba rächen können (auch schon dreißig Jahre her).
Doch der Mensch ist nicht gut und die Welt ist nicht schön; so müssen wir uns leider wieder mal mit den unschönen Dingen des Lebens befassen und unserem Ruf als ewige Nörgler gerecht werden.
Der durchschnittliche Übersteigerleser, das haben wir im letzten Heft gelernt, ist 40,7 Jahre alt, kann sich also noch an jene Jahre lebendig erinnern, als wir mal auf dem Weg waren, aus diesem Verein den etwas anderen Verein zu machen.
 Das ist er immer noch, allerdings inzwischen mit der Betonung auf ETWAS und nicht mehr auf ANDERS...
Indem wir an dem anderen Verein bastelten, erhielt unser Tun auch seine Legitimation per se, denn St. Pauli-Fan zu sein, Anhänger und Mitglied dieser Community, bedeutete ja, auf der richtigen, der guten Seite zu sein...friedlich, fröhlich, farbenfroh; weltoffen, tolerant, kreativ
Ein Mythos, leider...und er bröckelt, auch leider, so wie der Mythos vom Punker neben dem Bänker.
So wie der Verein immer ein Teil des Viertels war, in dem er liegt so wandelt sich auch der Verein, wie das Viertel sich wandelt.
Zu St. Pauli zu gehen, ist wie in St. Pauli zu leben...es ist hip und zwar für eine ganz andere Klientel als wir sie früher hatten; die Bänker halten Einzug in unsere neuen schönen Tribünen und die Latte-Macchiato-Gesellschaft drängt in die Kurven...auf dem Weg zur Krabben- und Lachsbrötchen Mentalität.
Inzwischen fliegen aus den VIP-Bereichen mehr Bierbecher Richtung Spielfeld als aus den normalen Kurven – was auch daran liegt, daß in den anderen Bereichen ja häufig kein Vollbier mehr ausgeschenkt werden darf und sich so die Spaßgesellschaft in die Separees verzieht, denn Fußball und Zitronenbier macht halt deutlich weniger Spaß.
Aber auch sie sind inzwischen St. Pauli; ja auch sie gehören zu den Guten, würden sie sagen...mit ihren 50 € pro Karte finanzieren sie, daß der Mythos lebt.
Sie haben ebenso wenig miterlebt, wie dieser Mythos entstanden ist, wie jene relativ junge Klientel, die sich inzwischen auch in jenem anderen Teil unserer schönen neuen Südtribüne wiederfindet und die leider teilweise den Mythos vom weltoffenen toleranten Verein kontrakariert. 
Ja, es gibt sie wieder, die Gewalt auf St. Pauli, in St. Pauli und um das Stadion und leider sind es nicht die Bösen, die anderen und die Bullen, sondern es sind immer mehr auch unsere Fans und auch ihre Legitimation beziehen sie daraus, daß sie ja auf der guten Seite sind.
Viele sagen, das hat es immer gegeben – ja, hat es wahrscheinlich, genauso wie es immer Bänker gegeben hat und die vielleicht schon St. Pauli Fans waren, als das bunte Volk noch mit der Rassel um den Tannenbaum gehüpft ist.
Vielleicht haben wir uns zu lange in unser Selbstverständnis gekuschelt und all diese Dinge um uns herum verdrängt – so wie das Fernsehen bei jeder Übertragung vom Millerntor immer denselben 70 jährigen geschminkten Don Quichotte Verschnitt auf dem Zaun zeigt und so suggerieren will: DAS ist St. Pauli...nein, ist es nicht.
Das ist AUCH St. Pauli wie auch die anderen Sachen, Stöckelschuhe und Seidenkleider in Separees beim Prosecco – Seidenschals und Schlägereien.
Und auch du, Bruder Cornelius, der Retter – auch er legitimiert natürlich all sein Tun damit, daß er auf der guten Seite ist...er tut alles für den Verein; womit sich die Frage stellt, was der Verein eigentlich ist und wem er gehört
Deswegen müssen wir uns auch damit beschäftigen und können uns nicht den schönen Dingen widmen...wenigstens müssen wir unser Zitronenbier nicht mit Plastikgeld bezahlen.